Series Pro Oriente
The book “To Hell with Studying: An Anthology of Byzantine Begging Poetry” is an anthology of 12th-century Byzantine begging poems, translated into Czech. The translation itself is preceded by an introductory study, which begins with an attempt to define begging poetry and to place Byzantine begging poems into the context of European literature. In addition, an outline of the reign of the Emperor Manuel I Komnenos (1143–1180) – the historical background of these poems – is provided. A further chapter introduces the literary output of the 12th century, with an emphasis on innovative trends such as the revival of interest in ancient romance and drama, the inspiration drawn from folklore, the use of new themes, etc.
Language | Czech (English and Greek summary) |
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Hardcover | 144 pages |
Issued | 2011 |
ISBN | 978-80-87378-69-4 |
Product dimensions | 145 x 210 mm |
Markéta Kulhánková (b. 1976) has been working since 2007 as Assistant professor at the Department of Classical Studies at the Faculty of Arts, Masaryk University, Brno. Areas of her research include Byzantine begging poetry, literary contacts between Byzantium and the West, early Byzantine narrative, Modern Greek folk tales, and the theory of literature.
Das vorliegende Buch verfolgt zwei Ziele: erstens will es die möglichen Beziehungen der byzantinischen und westeuropäischen mittelalterlichen Literatur zueinander prüfen und versuchen mögliche Kontakte dieser Literaturen zu finden, und zweitens den heimischen Leser stufenweise mit den bedeutendsten Denkmälern der byzantinischen Literatur in tschechischen ‹bersetzungen bekannt machen. Aus dieser Literatur wurden bisher nur wenige Werkeübersetzt; dazu gehören z.B. das Epos Digenis Akritas und byzantinische Versromane (übersetzt von K. Müller und R. Mertlík) oder die in den Jahren 1983‒1996 erschienenen acht Bände byzantinischer Historiker. Diese Lücke zu schlieflen will sich jetzt eine Gruppe Übersetzer am Slawischen Institut der Akademie der Wissenschaften bemühen und es bleibt zu hoffen, dass es ihr bei der sinkenden Kenntnis des Altgriechischen auch gelingen wird.
Das vorliegende Buch konzentriert sich auf die sogenannte Bettelpoesie, deren Kenntnis die europäische Literatur dem französischen Dichter Fr. Villon verdankt. Die Autorin verfolgt die betreffenden Motive bis zu Hipponax, dem altgriechischen Dichter aus dem 6. Jh. v. u.Z. Es ist interessant, dass die byzantinischen Belege der Bettelpoesie in derselben Zeit vorkommen wie im Westen (Hugo Primas, Archipoeta), das heiflt im 12. Jh. u.Z. Bisher konnte aber kein direkter Einfluss festgelegt werden.
In der Einleitung legt die Verfasserin dem Leser einen ‹berblick über die historischen Ereignisse des 12. Jh. vor, ferner den literarischen Hintergrund des entsprechenden Zeitalters, in dem man zum erstenmal in gröflerem Mafle literarische Texte im volksprachlichem Griechisch findet. Als erstes Werk eines solchen „Neograecum medii aevi“ wird die Digenisversion aus dem 10. Jh. angeführt, deshalb legen einige Forscher die Anfänge der neugriechischen Literatur gerade in diese Zeit.
Mit den prodromischen Bettelgedichten ist die komplizierte Frage der Autorschaft und Identifikation der Personen, die mit dem Namen Prodromos verbunden sind, verknüpft. Es handelt sich hierbei besonders darum, ob man den sog. Ptochoprodromos (Der arme Prodromos), der in der Volkssprache schrieb, mit dem Manganeios Prodromos gleichsetzen kann. Die Verfasserin kann natürlich nicht an dieser Stelle diese Probleme lösen, aber sie macht den Leser zumindest damit bekannt.
Im letzten Teil der Einleitung wird der Leser über den Charakter der byzantinischen Betteldichtung informiert, über ihre einzelnen topoi, über die Kaiserideologie, der darin Ausdruck gegeben wird, über die Parallelen in der sog. Vagantenpoesie, die meistens eher aus der menschlichen Natur denn aus direktem Einfluss stammen.
Den Hauptteil der Arbeit bilden Übersetzungen von Proben dieser Dichtung, die für die byzantinische Betteldichtung charakteristisch sind: Verse des Theodoros Prodromos für den Schwarzen Joannes, Verse des Theodoros Prodromos für Kaiser Manuel Komnenos mit dem bekannten Gedicht vom besseren Schicksal der Handwerker als der Gelehrten (daraus stammt auch der Titel des Buches), Verse des Mönches Hilarion Ptochoprodromos an Kaiser Manuel Komnenos, Verse für Anna Dukaina mit ähnlichen Motiven der Vergeblichkeit des Studiums, die Verabschiedung von Konstantinopel, Verse für den Grammatiker Theodoros Stupiotes, den der Dichter um Nachrichten über verschiedene Siege des Kaisers bittet, da ihm Belohnung für solche Verse aus der Not helfen würde, und abschliesslich Verse aus dem Manganeios Prodromos (d.h. aus dem Kloster Mangana).
Der Schlussteil des Buches enthält Anmerkungen zu den einzelnen Gedichten, in der eine adäquate Erklärung des Terminus basileus fehlt, besonders in byzantinischen Milieu, eine Bibliographie und schliesslich ein englisches und griechisches Résumé.
Trotz der Kürze des Buches macht es den Leser mit den Hauptproblemen bekannt, denen sich in diesem Abschnitt der byzantinischen Literatur die Fachliteratur widmet, und bietet dem Leser in gelungener Übersetzung auch anschauliche Proben an.
Růžena Dostálová, in: Byzantinoslavica LXX (2012, 1‒2), S. 367‒368.
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Byzantská knihovna: Drei Übersetzungen byzantinischer Literatur in der Reihe Byzantinische Bibliothek der Edition Pro Oriente des Pavel-Mervart-Verlags, Červený Kostelec.
Band 1:
K čertu ať táhne studium – Výbor z byzantské žebravé poezie [Zum Teufel mit dem Studium – Eine Auswahl byzantinischer Betteldichtung], 2011. Eingeleitet, übersetzt und kommentiert von Markéta Kulhánková. Červený Kostelec: Pavel-Mervart-Verlag, Pro Oriente, ISBN: 9788087 378694.
Band 2:
Ať múzy promluví – Tři byzantská kvazidramata [Die Musen sollen sprechen – Drei byzantinische Quasidramen], 2012. Eingeleitet von Alena Sarkissian, übersetzt von Alena Sarkissian, Karolína Kvitová und Matouš Jaluška. Červený Kostelec: Pavel-Mervart-Verlag, Pro Oriente, ISBN: 9788074 650277.
Band 3:
Obrácení nevěstky Marie a jiné příběhy – Byzantská vyprávění prospěšná pro duši [Die Bekehrung der Dirne Maria und andere Geschichten – Dem Seelenheil zuträgliche byzantinische Erzählungen]. 2013. Eingeleitet, übersetzt und kommentiert von Markéta Kulhánková. Červený Kostelec: Pavel-Mervart-Verlag, Pro Oriente, ISBN: 9788074 650949.
Sieht man als deutschsprachiger Leser[1] die tschechische Verlagslandschaft durch, kann man gar nicht aufhören zu staunen. Man wird nur wenige Verlage finden, die auf bestimmte Literaturnischen spezialisiert sind, und zugleich wird man nach Verlagen, die sich ausschließlich gewinnbringender Belletristik verschrieben hätten, lange suchen müssen. Man wird über die vermutlich vom Samizdat herrührende Publikationsfreude der meisten, auch der kleineren tschechischen Verlage verblüfft sein, die in zahlreichen gesonderten Reihen neben der üblichen Romanliteratur auch moderne Lyrik, theoretische Abhandlungen und nicht zuletzt Übersetzungen von Texten publizieren, die die Marketingabteilungen deutschsprachiger Verlage zur Sicherheit für nicht existent zu erklären scheinen.
Dabei wäre es gerade für uns Philologinnen und Philologen von unschätzbarem Wert, wenn die von uns geliebten antiken und mittelalterlichen Literaturwerke ein breiteres Publikum erreichten. Das aber ist nur durch ansprechende und nicht zuletzt aktuelle literarische Übersetzungen zu bewerkstelligen, die unter anderem auch die Versmaße und den Sprachduktus berücksichtigen, und die für das bessere Verständnis dezent kommentiert und eingeleitet sind. Nur wenn größere Teile der Gesellschaft an unserer Forschung und Begeisterung teilhaben, wenn die Künstlerinnen und Künstler der Gegenwart in einen Dialog mit unseren Objekten der Forschung treten können, ist sichergestellt, dass wir mit unserer Arbeit die Gesellschaft tatsächlich bereichern und nicht nur uns gegenseitig mit nur für uns interessanten, für Laien aber unzugänglichen und unverständlichen wissenschaftlichen Errungenschaften befriedigen.
Ein gutes Beispiel für den Mut zur Publikation von literarisch höchst erfreulichen Übersetzungen scheinbar schwer zugänglicher byzantinischer Texte ist die junge Reihe Byzantská knihovna [Byzantinische Bibliothek] in der von Michal Řoutil geleiteten, inzwischen sehr publikationsreichen Edition Pro Oriente des tschechischen Verlags Pavel Mervart. Ich habe die Freude, an dieser Stelle die ersten drei Bände der Reihe zu besprechen. Da es sich um Bücher handelt, die vor allem an ein Laienpublikum adressiert sind, werde ich in der Besprechung vor allem diesen ihren Zweck im Auge behalten.
Für das Buch Obrácení nevěstky Marie etc. [Die Bekehrung der Hure Maria etc.] hat Markéta Kulhánková eine ansprechende Sammlung von Mönchswundergeschichten zusammengestellt, die chronologisch mit Daniel von Sketis beginnt und nach Ioannes Moschos und Anastasios Sinaites mit Paulos von Monembasia beschlossen wird.[2] In einer knappen, aber informativen Einleitung umreißt Kulhánková die Geschichte der Mönchsbewegung in Ägypten und die Entwicklung des mit ihr verbundenen „dem Seelenheil zuträglichen Erzählens“ vom vierten Jahrhundert bis zur arabischen Eroberung Ägyptens im siebten Jahrhundert.[3] Dabei bespricht sie auch Sammlungen, die in ihrer Anthologie nicht enthalten sind, wobei sie für den tschechischen Leser, soweit vorhanden, immer eine zugängliche Übersetzung angibt. Es ist auch eine Karte Ägyptens abgedruckt, in der die wichtigsten Klöster markiert sind. Für ein bewanderteres Publikum werden Verweise auf einschlägige Fachliteratur gegeben, und die Zitate aus Originaltexten werden in Anmerkungen auch auf Griechisch angeführt. Nicht zuletzt erklärt Kulhánková einleuchtend das Genre der Erzählungen (Diegeseis), seine Beziehung zu den Aussprüchen (Apophthegmata) sowie den Unterschied zur Hagiographie. Die Einleitung wird mit einer Besprechung der eher enzyklopädischen Sammlungen von Erzählungen des zehnten und elften Jahrhunderts beschlossen, die bereits außerhalb Ägyptens erstellt worden sind, und für die Paulos von Monembasia als Beispiel dient. Nicht unerwähnt bleiben soll das hilfreiche Namensregister am Ende des Bandes.
Die Übersetzungen selbst sind stilistisch eng an die Originaltexte angelehnt. Die Sprache ist einfach, aber elegant und evoziert den Eindruck mündlichen Erzählens. Die dezenten Anmerkungen, Quellen- und Querverweise sind in Fußnoten auf jeweils derselben Seite angeführt, sodass der Lesefluss nicht durch lästiges Blättern gestört wird. Tatsächlich hätte das Buch sogar noch mehr und teils noch genauere Anmerkungen vertragen, um den durch den gut ausgewählten Stoff erweckten Wissensdurst des Laienpublikums noch gründlicher zu stillen. Wenn etwa dem Längenmaß Stadion eine Anmerkung gewidmet ist, sollte vielleicht nicht verschwiegen werden, wie lang eine römische Meile war, oder was das für den Nika-Aufstand namensgebende nika! eigentlich bedeutet.[4]
Den vier Sammlungen der einzelnen Autoren ist jeweils eine kurze Einführung vorangestellt, in der das stilistische und inhaltliche Wesen der jeweiligen Sammlung besprochen und bereits Besonderheiten einzelner Erzählungen herausgegriffen werden. Wenn es etwa in der Einleitung zu Ioannes Moschos heißt, dass ein Charakteristikum seiner Kompositionsweise im paarweisen Anordnen motivisch einander ähnelnder Erzählungen besteht, wird an der Stelle auf die Erzählungen Nr. 77 und 78 vorverwiesen.[5] Diese Einführungen bieten also zugleich auch Argumente für die getroffene Auswahl, die mir sehr ausgewogen, gut durchdacht und vor allem durchaus sehr unterhaltsam zu sein scheint.
Ähnlich geartet ist Markéta Kulhánkovás anderes Buch, der erste Band der Reihe Byzantská knihovna, nämlich K čertu ať táhne studium [Zum Teufel mit dem Studium]. Es handelt sich um eine Zusammenstellung von Übersetzungen byzantinischer Bettelgedichte.[6] In der wieder sehr bündigen und informativen Einleitung wird die Bettellyrik zunächst mit Werken der westlichen Literatur verglichen, und zwar am meisten mit den Gedichten von François Villon und ihren tschechischen Abwandlungen.[7] Das historische und literarische Umfeld der Komnenenzeit wird ebenso besprochen wie die Frage der Autorschaft und der Identität der drei Prodromoi.[8] Der stilistische Charakter und die Topik der ausgewählten Gedichte werden kurz umrissen, ebenso wie die unterschiedlichen byzantinischen Sprachregister.[9] Bei der Gelegenheit werden auch die anderen Genres der Gelegenheitsgedichte erklärt. Den einzelnen Autoren sind wieder jeweils kurze Einführungen vorangestellt, in denen Argumente für die getroffene Auswahl und Hinweise auf besondere Stilmittel gegeben werden. Dass einige Gedichte nur gekürzt wiedergegeben werden, ist verständlich, zumal das Genus der Bettelpoesie in allzu großen Portionen selbst für ein geübtes Publikum recht schwer verdaulich ist. Gemeinsam mit den Stilmitteln erklärt Kulhánková auch die Versmaße der übersetzten Gedichte, nämlich den Fünfzehnsilber und den Hexameter, wobei sie der Vollständigkeit halber auch dem Zwölfsilber einen Absatz widmet, der in der Betteldichtung keine Verwendung fand.[10]
Die Übersetzungen selbst sind präzise und zugleich in überaus flüssigen Versen abgefasst. Der Fünfzehnsilber entspricht insofern sehr dem byzantinischen Original, als die fixe Zäsur[11] nach der achten und der Akzent auf der vorletzten Silbe durchwegs eingehalten werden, während aber die anderen Akzente etwas freier gesetzt sind. Auf diese Weise verhindert die Übersetzerin den Eindruck eines eintönigen Nähmaschinenrhythmus, wie er leider in den strengen deutschen Nachdichtungen jambischer Versmaße häufig ist. Hier führe ich als Beispiel zwei Verse aus den Ptochoprodromika an:
[...]
a papírové krabice, v nich zas a zas jen papír.
V almaře, pátrám, pídím se po kousku chleba k jídlu.[12]
Während der erste Vers in einem reinen Jambus verfasst ist, kann man im zweiten Vers die beweglichen Betonungen versetzt lesen, was der Monotonie entgegenwirkt.
Die Hexameter der ersten beiden übersetzten Gedichte des Theodoros Prodromos klingen ebenfalls sehr natürlich. Obwohl im Tschechischen theoretisch auch quantitierende Hexameter möglich wären, hat sich die Übersetzerin für akzentuierende entschieden, die leichter zu lesen sind und weniger manieriert wirken. Auch bei diesen ist es im Tschechischen wie im Deutschen üblich, so weit es geht, die typischen klassischen Zäsuren einzuhalten. Dabei führt der tschechische Initialakzent aber dazu, dass statt der Penthemimeres die Zäsur besonders häufig kata triton trochaion gesetzt wird.[13] Kulhánková scheint aber über diesen Usus regelmäßig hinwegzusehen und die Wortgrenzen nach vollständigen Daktylen zu platzieren, was in Byzanz zwar manchmal üblich war, aber nicht in diesem Ausmaß.[14] So wird der Rhythmus einerseits etwas monoton und andererseits führt es dazu, dass man sich ab und zu verliest, wenn in einem Vers etwa eine Penthemimeres möglich wäre, aber doch nicht da ist. Ich möchte diese Überlegung anhand von zwei Versen illustrieren:
vlaštovka spanilá z pódia zapěla líbeznou píseň –
všech moudrých mužů sluch | ta píseň sladká přec přiláká vždycky.[15]
Zumindest ein an Hexameter gewöhntes Publikum würde den zweiten Vers auf jeden Fall eher folgendermaßen lesen wollen: všech moudrých mužů sluch | ta píseň sladká přec přiláká vždycky, aber das geht natürlich nicht, weil da sonst eine Betonung zu viel wäre.
Der erste Vers wiederum zeigt Kulhánkovás typische Hexameterkomposition, bei der jeden Fuß ein Wort einnimmt. Selbstverständlich bezieht sich diese meine Anmerkung auf eine Kleinigkeit. Diese Kleinigkeit ist aber dennoch von einiger Bedeutung, zumal die hier besprochene Publikation auch einen für die Literaturlandschaft pädagogischen Nutzen hat.
Nicht zuletzt bleibt zu erwähnen, dass die übersetzten Texte auch in diesem Band dezent, aber mit viel Gefühl für das Wesentliche kommentiert sind. Vielleicht hätte abermals dieses oder jene doch noch eine zusätzliche Anmerkung verdient. Im Fall des ersten Gedichts des Ptochoprodromos hätte etwa der komisch-erotische Charakter unterstrichen werden können.
Auf jeden Fall handelt es sich bei beiden hier besprochenen Büchern von Markéta Kulhánková um Publikationen, die sehr gut geeignet sind, nicht nur ein interessiertes Laienpublikum zu erfreuen und Studenten an ihr Gebiet heranzuführen, sondern auch Schriftstellerinnen und Schriftsteller, und überhaupt Künstler aller Art zu inspirieren.
Nicht viel, aber doch etwas anders verhält es sich mit dem letzten Buch der Reihe Byzantská knihovna der Edition Pro Oriente, das ich an dieser Stelle besprechen darf. Ať múzy promluví [Die Musen sollen sprechen] ist eine Zusammenstellung von drei byzantinischen „Quasidramen“,[16] herausgegeben und eingeleitet von Alena Sarkissian. Das Besondere an dieser Publikation ist die interessante Herangehensweise an die Übersetzung. Die Philologinnen Alena Sarkissian und Karolína Kvitová haben die Originaltexte zunächst wörtlich ins Tschechische übertragen und sie dann von Matouš Jaluška ins Versmaß bringen lassen,[17] der unter anderem durch seine Mitarbeit im Prager Verlag Malvern auf Erfahrung mit Lyrik zurückgreifen kann. Eine solche Kooperation zwischen Philologen und Gegenwartsautoren ist an sich schon ein Weg, alte Texte lebendig zu erhalten und die Gegenwartsliteratur zu inspirieren. Außerdem könnten so zu etablierten, bereits mehrmals übersetzten Werken neue Zugänge gefunden werden.
Das Ergebnis in diesem Fall ist eine poetische, aber vielleicht allzu freie Übertragung. Den vierten Vers des Katzmäusekriegs καὶ δυσμόρως δίιμεν οἰκεῖον βίον übersetzt das Team zum Beispiel mit společně žijeme ve stínu neštěstí [wir leben gemeinsam im Schatten des Unglücks],[18] was mit dem griechischen Original und unglücklich führen wir ein häusliches Leben fast nichts mehr zu tun hat.
Den byzantinischen Zwölfsilber hat Jaluška durch den ebenfalls zwölfsilbigen, größtenteils daktylischen tschechischen Alexandriner ersetzt, der ferner durch eine Mittelzäsur nach der sechsten Silbe charakterisiert ist.
Proč, myši hrdinné, trávíme věčný věk,
zde, v temném domově, v podzemní dutině?
Pospolu třesem’ se, strachy své sdílíme,
společně žijeme ve stínu neštěstí,
[...][19]
So flüssig sich die Verse auch lesen lassen, es ist vielleicht etwas schade, dass nicht ein Versmaß gefunden worden ist, welches dem byzantinischen Zwölfsilber genauer entspräche. Jaluškas gleichmäßige Daktylen sind viel härter als der byzantinische Zwölfsilber, in dem der Rhythmus leicht variiert wird, die Zäsur zwischen der Position nach der fünften und siebten Silbe wechselt und der durchwegs einen weichen, weiblichen Versschluss aufweist.
Zudem wäre eine Wiederbelebung des byzantinischen Zwölfsilbers meines Wissens eine Neuheit gewesen.[20] Aber wie dem auch sei, die Wahl des Versmaßes soll hier nicht kritisiert werden, denn ich muss zugeben, dass mich der persönliche Geschmack und das Interesse an der Adaptierung alter Formen in meinem Urteil beeinflussen. Herbert Hunger hat in seiner Übertragung des Katzmäusekriegs den Zwölfsilber auch durch ein anderes Versmaß ersetzt, nämlich durch den Blankvers.[21] Die Übersetzungen im besprochenen Buch erfüllen also durchaus ihren Zweck.
Die Herangehensweise an die theoretischen Partien ist hingegen ein wenig problematisch. Zum Versmaß etwa wird in der Einleitung kaum etwas gesagt, und erst in der „Anmerkung zur Schreibweise der griechischen Namen und zu den Übersetzungen“[22] wird vom Zwölfsilber behauptet, dass er in Byzanz rein quantitierend gewesen sei, was einfach falsch ist.[23]
In der Einleitung gibt Alena Sarkissian eine ausführliche Geschichte quasidramatischer Texte von der Antike bis zu den Anfängen einer Art liturgischen Theaters. Diese Geschichte ist aber für ein wissenschaftliches Publikum wenig geeignet, zumal weitläufig auf Belege aus der Fachliteratur verzichtet wird. Dafür werden eine Diplomarbeit und eine „oborová práce“ [vermutlich Bakkalaureatsarbeit] beansprucht, wobei letztere auf üblichem Wege kaum auffindbar sein wird.[24] Ein Laienpublikum wird von dieser Geschichte der Quasidramen auch nur wenig profitieren, weil die meisten der besprochenen Texte nicht übersetzt sind. So übersteigt das Ausmaß der theoretischen Passagen dasjenige der Übersetzungen bei weitem,[25] und Sarkissian hätte meines Ermessens die in ihre Geschichte des Genres eingereihten Werke wie die Kontakien des Romanos Melodos, den Christos Paschon oder das Gedicht Apodemos Philia von Theodoros Prodromos, die sie recht ausführlich bespricht und nacherzählt, lieber einfach übersetzen sollen.[26] Zumindest wäre, wenn schon da und dort keine tschechische Übersetzung vorhanden ist, ein Verweis auf eine Übersetzung in eine andere lebende Fremdsprache oder zumindest überhaupt auf eine Edition angebracht gewesen. Ferner ist es für einen Leser, der sich an der Lektüre vor allem erfreuen möchte, etwas verwirrend, dass dieselben Autoren zweimal behandelt werden, und zwar einmal im Rahmen der Einleitung zum gesamten Buch und dann noch einmal in den Einleitungen zu den einzelnen Texten.
Auf den ersten Blick besonders irritierend ist außerdem ein Detail, auf das der Verlag hätte achten müssen. Die Herausgeberin wird nicht etwa am Anfang des Bandes, sondern erst kleingedruckt auf Seite 123 genannt, während an dieser Stelle wiederum die beiden Übersetzer Karolína Kvitová und Matouš Jaluška nicht angeführt sind. Deren Namen muss man in Anmerkungen jeweils am Anfang der Übersetzungen suchen oder wiederum kleingedruckt im Copyright-Vermerk auf Seite 6, was unnötigerweise das Zitieren erschwert.
Die in den letzten Zeilen angeführten Kritikpunkte sollen aber auf keinen Fall den großen Beitrag verschleiern, den der Pavel-Mervart-Verlag mit seiner Reihe Byzantská knihovna [Byzantinische Bibliothek] für die Byzantinistik im Besonderen und für die Philologie und das interessierte Publikum im Allgemeinen leistet. Dafür möchte ich ihm, durchaus ganz im eigenen Interesse als Philologe und Autor, viel Glück und Erfolg wünschen.
Ondřej Cikán, in: GRAECO-LATINA BRUNENSIA, č. 19/2 (2014), s. 141‒147.
[1] Personenbezogene, grammatikalisch maskuline Pluralformen und verallgemeinernde Singularformen schließen, wenn der Zusammenhang dem nicht explizit widerspricht, auch die feminine Form mit ein. Feminine Formen schließen hingegen die maskulinen aus.
[2] Die in dieser Publikation übersetzten Texte sind: Daniel von Sketis: 1; 6; 7 (nach der Ed. von Brit Dahlmann, Uppsala 2007), Ioannes Moschos, Pratum: Prolog (nach der Ed. von Hermann Usener, Sonderbare Heilige I. – Der heilige Tychon, S. 91–93, Leipzig 1907), Ioannes Moschos, Pratum: Prolog; 8; 9; 29; 31; 32; 40; 44; 46; 72; 75–78; 97; 101; 108; 134: 143; 150; 154; 155; 158; 160; 165; 166; 170; 174; 177; 183; 186; 188; 189; 195; 200; 202; 205 (nach der PG Migne), Anastasios Sinaites, Narrationes: I.1; 3; 4; 8; 18; 23; 24; 35; 39 und II. Prolog; II.3; 8; 18; 20–23 (nach der Ed. von André Binggeli, Paris 2001), Paulos von Monembasia, Narrationes: 5; 8; 10; 12; 13 (nach der Ed. von John Wortley, Paris 1987).
[3] S. 15–28.
[4] S. 70; 62; 42.
[5] S. 55.
[6] Ptochoprodromika: 1; 3; 4 gekürzt (nach der Ed. von Hans Eideneier, Köln 1991), Theod. Prodromos, Hist. Gedichte: 38; 79; 71 (nach der Ed. von Wolfram Hörandner, Wien 1974), Manganeios Prodromos: 1; 5; 10 (nach der Ed. von Silvio Bernardinello, Padua 1972), Michael Glykas: Gedicht aus dem Gefängnis (nach der Ed. von Eudoxos Th. Tsolakis, Thessalonike 1959).
[7] S. 15 und 29.
[8] S. 16–25.
[9] S. 26–30.
[10] S. 33 und 73f.
[11] In der Byzantinistik spricht man manchmal vom Binnenschluss.
[12] Ptochoprodromika 3, 96f.; S. 51.
[13] Vgl. die ersten Verse der Aeneis in der Übersetzung von Otmar Vaňorný, Prag 1970:
O válce zpívám a reku, jenž první z krajiny trójské
připlul k italské zemi, hnán osudem, k lavinským břehům,
vyhnanec, dlouhý čas jej po zemích štvala i mořích
božská moc: [...]
Die Zäsuren sind durch größere Abstände angezeigt.
[14] Vgl. Herbert Hunger, Die hochsprachliche profane Literatur der Byzantiner, Band 2, S. 91, München 1978.
[15] Theod. Prodromos, Hist. Gedichte: 79, 32f.; S. 85f.
[16] Ignatios Diakonos, Verse über Adam (nach der Ed. von Friedrich Dübner in Fragmenta Euripidis etc., S. 91–94, Paris 1846), Theod. Prodromos, Katzmäusekrieg (nach der Ed. von Herbert Hunger, Wien 1968), Michael Haplucheir, Dramation (nach der Ed. von Pietro Luigi M. Leone in Byzantion 39, S. 251–283, 1969).
[17] Vgl. S. 55, 77, 107, 117.
[18] S. 78.
[19] Katzmäusekrieg V.1–4; S. 78. Die Zäsur habe ich durch den größeren Abstand markiert.
[20] Um zu zeigen, dass der byzantinische Zwölfsilber sowohl im Tschechischen als auch im Deutschen funktioniert, habe ich hier versuchshalber die ersten vier Verse des Katzmäusekriegs in beide Sprachen übersetzt. Der größere Abstand zeigt wieder die Zäsur an.
Was verharren wir Helden seit einer solchen
Ewigkeit hier drin in unsern tiefen Löchern?
Warum führen wir in Angst und Furcht und Schrecken
Dieses so unglückliche häusliche Leben?
Nač, myši mužné, tu tak dlouhou a věčnou
dobu čekáme, ve svých hlubokých norách?
Proč vedeme ve strachu, bázni a tísni
tento svůj život nešťastných hospodyněk?
[21] In seiner Edition, Wien 1968.
[22] S. 117.
[23] Vgl. den grundlegenden Artikel von Paul Maas, Der byzantinische Zwölsilber, Byzantinische Zeitschrift 12, 1903, S. 278–323 (= idem, Kleine Schriften, München 1973, S. 242–288).
[24] S. 27 Anm. 20; S. 34 Anm. 26.
[25] S. 9–52; 55–61; 71–75; 115–121 bzw. S. 63–69; 77–99; 107–114.
[26] S. 14–17; 26–33.